Schießbaumwolle macht auf sich aufmerksam
Kurz nach Mitternacht hörte ein Anwohner einen lauten Knall. Zur gleichen Zeit löste die Brandmeldeanlage in einer Forschungseinrichtung aus. Die Feuerwehr eilte zu dem betroffenen Gebäude, in dem sich unter anderem ein Labor befand. Ein IFS-Gutachter untersuchte später die Schadenstelle: Zweifellos hatte es eine Explosion und ein Feuer gegeben. Allerdings nicht in dieser Reihenfolge. Im Innenhof des Gebäudekomplexes lagen mehrere Fensterelemente, die durch die Druckwelle herausgedrückt worden waren. Das Glas war auf der Innenseite mit Ruß beaufschlagt. Demnach musste es in den Räumen bereits vor der Explosion gebrannt haben.
Die Ursache fand der Gutachter in einem an das Labor grenzenden Arbeitsraum, in dem sowohl die Brand- als auch die Explosionsfolgen besonders stark ausgeprägt waren. Hier war ein Waschbecken in einem Labortisch installiert, und darunter hatte sich ursprünglich ein Durchlauferhitzer befunden. Der Gutachter fand die Überreste des stark beschädigten Gerätes im Brandschutt und untersuchte sie im Elektrolabor des IFS. Dabei stellte sich heraus, dass ein technischer Defekt an der Elektronik das Feuer verursacht hatte.
In dem Arbeitsraum hatte neben dem Labortisch mit Waschbecken ein Behälter mit Nitrocellulose gestanden. Umgangssprachlich ist diese weiße, faserige, leicht brennbare und explosionsfähige Substanz als Schießbaumwolle bekannt. Sie war 13 Jahre zuvor gekauft worden, wie der Gutachter erfuhr. Man habe einen Teil davon einige Jahre zuvor benutzt. Der Rest lagerte in der Originalverpackung – einer kleinen Papptonne – neben dem Waschbecken, wo man ihm keine weitere Beachtung schenkte. Bis zur Schadennacht. Das Feuer am Durchlauferhitzer breitete sich auf die Umgebung aus und erfasste bald auch das Gebinde mit der Schießbaumwolle. Die machte ihrem Spitznamen alle Ehre und explodierte mit einem lauten Knall. Laut Hersteller hätte die Nitrocellulose höchstens für zwei Jahre und in einem kühlen, trockenen Raum gelagert werden dürfen. Bei längerer Lagerung kann sie sich zersetzen, was mit einer erhöhten Brandgefahr einhergeht. Die unzulässigen Lagerungsbedingungen – über 13 Jahre und direkt neben einem Waschbecken – hatten in diesem Fall (noch) nicht zum Schaden geführt. Der Brandausbruch am Durchlauferhitzer war dem zuvorgekommen.