IFS Report 1-2020

Das IFS berichtet viermal jährlich im IFS-Report über aktuelle Schadenfälle und weitere Aspekte der Arbeit zur Schadenverhütung. Der IFS-Report erscheint gedruckt und im PDF-Format zum Download.
Erfahren Sie mehr unter
www.ifs-ev.org/Brandsimulation
23. Jahrgang
März 2020
Eine Information des Institutes für Schadenverhütung und
Schadenforschung der öffentlichen Versicherer e.V.
Großschaden in einem Industrie-
betrieb: Ein technischer Defekt
an einem Flurförderfahrzeug
hatte zum Brandausbruch geführt, und
die Flammen breiteten sich über die
gesamte Halle aus. Bei der Ursachen-
ermittlung zeigt sich, dass der Rauch-
und Wärmeabzug des Gebäudes versagt
hatte, weil die Wartung der Anlage vom
Betreiber vernachlässigt wurde. Wie
hätte die Schadenstelle ohne dieses
Versäumnis ausgesehen? In einem
anderen Fall ergibt die Recherche im
Rahmen der Brandursachenermittlung,
dass sich im Schadenobjekt etwa
doppelt so viel Lagergut befunden
hatte wie laut Brandschutzkonzept
zulässig. Wie hätte die Einhaltung der
Vorgaben sich auf das Brandgeschehen
und das Schadenausmaß ausgewirkt?
Brandsimulationsrechnungen können
helfen, solche Fragen zu beantworten.
Sie beschreiben die thermodynamischen
Prozesse während einer Verbrennung.
Die Grafik zeigt die Temperaturen im
Schadenobjekt während des Brandes.
Eine neue Dimension der Ermittlung
Mit Brandsimulationsrechnungen erweitert das IFS sein Leistungsspektrum
Nach Fahrzeugbränden
beginnt oft eine anspruchs-
volle Spurensuche ⟶ S. 2
Grafik: IFS
„In einem Satz erklärt, sind es numeri-
sche Experimente in einem virtuellen
Labor“, sagt IFS-Geschäftsführer Dr.
Hans-Hermann Drews. Im vorbeugenden
Brandschutz ist die computergestützte
Simulation von Bränden bereits ein
etabliertes Werkzeug. Bisher wurde die
Methode jedoch im deutschsprachigen
Raum kaum eingesetzt, um nach
einem Brandfall den Schadenverlauf zu
rekonstruieren und den Einfluss ver-
schiedener Parameter zu prüfen. „Mit
unserem Expertenteam leisten wir in
diesem Bereich Pionierarbeit“, so Drews.
Bei den Simulationen handelt es sich
um CFD-Modelle. Die Abkürzung steht
für Computational Fluid Dynamics,
also numerische Strömungsdynamik.
Zum Verständnis: An einem Brand-
herd steigt die Temperatur. Die heißen
Rauchgase dehnen sich aus, zugleich
nimmt die Dichte ab, und das Gas
steigt auf. CFD-Modelle beschreiben die
entstehenden Strömungen und damit
die Bedingungen während des Brandes,
die Ausbreitung der Rauchgase und der
Flammen. Die Prozesse folgen physikali-
schen Gesetzmäßigkeiten und sind von
unterschiedlichen Parametern abhängig
wie der Gebäudegeometrie, der Brand-
last und Zu- bzw. Abluftöffnungen.
Mit den Simulationen können ver-
schiedene Szenarien durchgerechnet
werden, um etwa die Plausibilität von
Schadenverläufen zu prüfen oder den
Einfluss von Brandschutzmaßnahmen
zu bewerten. Die Visualisierung in
einer dreidimensionalen, virtuellen
Umgebung veranschaulicht die Abläufe
auch für fachfremde Beobachter. „Die
Methode ergänzt die klassische Brand-
ursachenermittlung“, sagt Drews. „Sie
ermöglicht wissenschaftlich fundierte
Aussagen, wo wir uns vorher ausschließ-
lich auf Erfahrungen stützen mussten“.
120 °C7020
2 IFS-Report 1/2020
Ein Autofahrer öffnet das Fens-
ter und schnipst eine Zigarette
heraus. Die Kippe landet auf dem
Cabriolet, das hinter ihm fährt, und
glühende Asche in dessen Ansaug-
wegen. Wenig später qualmt es aus
dem Motorraum: Der Luftfilter brennt.
„Hier konnten wir den Ausbruch sehr
gut nachvollziehen, weil andere Fahrer
Feuerlöscher dabei hatten und der
Brand in einer relativ frühen Phase
gestoppt wurde“, erklärt IFS-Gutachter
Björn Münz und deutet auf die Kunst-
stoffreste des Luftfilterkastens. Eine
25 Quadratzentimeter große Durch-
brennung in der Aluminiumhaube
gibt den Blick in den Motorraum
des ansonsten kaum beschädigten
Audis frei. Münz ist Kfz-Meister und
hat langjährige Erfahrung als Sach-
verständiger für Fahrzeugbrände.
Brandstiftungen und seit einiger Zeit
auch Brandentstehungen an Elektro-
autos schaffen es hie und da in die
Schlagzeilen. Die Ursachen sind in
diesem Bereich jedoch so vielfältig wie
bei Gebäudebränden. Nach den jüngs-
ten Zahlen des GDV waren 2018 mehr
als 14.000 Fahrzeuge betroffen. Nicht
immer ist das Spurenbild so klar wie im
oben geschilderten Fall. Sind brennbare
Betriebsflüssigkeiten involviert, kommt
es in der Regel zu einem massiv aus-
geprägten Schaden. „Wenn etwa wäh-
rend der Fahrt Kraftstoff im Motorraum
austritt, haben wir es mit einer sehr
schnellen Brandausbreitung zu tun“,
sagt Münz. Auch der Ort des Brand-
geschehens hat Einfluss auf das spätere
Schadenbild. Auf Autobahnen oder
Neue Gutachterin für
das IFS Stuttgart
Dr. Jeannette Lindner
IFS Stuttgart
Tel. +49 711 380 42 60 30
lindner@ifs-ev.org
Wir dürfen eine neue Kollegin
vorstellen: Jeannette Lindner hat am
Karlsruher Institut für Technologie
Chemie studiert und in Physikalischer
Chemie mit dem Schwerpunkt
Elektrochemie promoviert. Für das
IFS wird sie Brandursachen ermitteln
sowie Brandfolgen und Schimmel-
schäden untersuchen.
Landstraßen ist es nicht ungewöhnlich,
dass 20 Minuten vergehen, ehe die
Feuerwehr eintrifft. In Parkhäusern und
Tiefgaragen müssen sich die Einsatz-
kräfte häufig zunächst um den Abzug
der Rauchgase kümmern, bevor sie mit
der eigentlichen Brandbekämpfung
beginnen können. Hinzu kommt, dass
dort das Übergreifen der Flammen
auf benachbarte Fahrzeuge oft nicht
verhindert werden kann. Kürzlich unter-
suchte das IFS einen Parkhausbrand mit
mehr als 20 beteiligten Pkw. Als Ursa-
che stellten die Gutachter einen elektri-
schen Defekt in einem Steuergerät fest.
Der betroffene Mittelklassewagen stand
zum Zeitpunkt des Brandausbruchs
bereits Stunden auf seinem Stellplatz.
Je stärker die Zerstörungen, desto
wichtiger sind Beobachtungen zum
Schadenhergang. Auch andere
Informationen können auf die Aus-
bruchsstelle hinweisen und damit die
Ursachenermittlung unterstützen.
Gab es zum Beispiel in der Zeit vor
dem Schaden ungewöhnliche Fahr-
geräusche? War der Wagen kürzlich
in der Werkstatt oder hätte er zu
einer Wartung dort sein sollen?
Die elektronische Ausstattung erhöht
das Brandpotential
Mechanische Mängel, wie etwa ein
beschädigtes Radlager, können zu
Überhitzungen und in der Folge zum
Brandausbruch führen. Auch ein mit
Benzin betankter Diesel kann ein Fall
für die Feuerwehr werden. Häufig ent-
stehen Fahrzeugbrände außerdem an
der Elektrik oder Elektronik. Das ist ein
Grund, warum Björn Münz für die kom-
menden Jahre mit steigenden Brand-
zahlen rechnet. Da Fahrzeuge, vom Pkw
bis zur tonnenschweren Landmaschine,
technisch immer weiter aufgerüstet
werden, wächst in diesem Bereich das
Schadenpotential. Dieser Trend zeigt
sich bisher noch nicht in den GDV-Statis-
tiken. Allerdings stellt der Verband stei-
gende Schadensummen fest. Inwiefern
die Verkehrswende beziehungsweise
die Elektromobilität die Entwicklung
beeinflussen wird, kann das IFS zu
diesem Zeitpunkt noch nicht seriös
abschätzen, weil dafür bislang zu weni-
ge Elektroautomobile im Einsatz sind.
Brände an Fahrzeugen
Die Ursachen sind breit gefächert, und die Ausprägung der
Schäden ist häufig hoch.
Gutachter Björn Münz untersucht den Brandschaden an einem Pkw.